Puls unten, Nase hoch: Zwei geduldige Lehrer feiern gemeinsam ein rundes Jubiläum

Ein Doppel-Jubiläum begeht der Luftsportverein (LSV) Degerfeld: Das Segel-Schulflugzeug ASK-13 und Fluglehrer Ferdinand Karreis sind jetzt beide seit 1968 im Dienst. Das gibt’s selbst im Fliegerland Baden-Württemberg nicht alle Tage.

 

Die „13“ mit dem Kennzeichen D-9064 steht meist weit vorne in Tornähe der großen Segelflughalle. Das hat seinen Grund. Wenn Flugbetriebstag auf dem Degerfeld ist, kommt sie meistens als erstes raus und wird als letztes wieder hineingeschoben. Der Schulbetrieb ist das Rückgrat am Platz. 23.667 Starts und 6465 Flugstunden stehen aktuell in den Bordbüchern der Maschine. „Wenn Besucher in unsere Halle kommen, können sie meist gar nicht glauben, dass die Maschine schon so alt ist“, sagt Karreis, „wir pflegen unser Material halt.“

 

Mehrfach in den vergangenen 50 Jahren erhielt D-9064 schon eine Grundüberholung. Dabei wurde die Maschine komplett neu bespannt und lackiert, die Außenhaut wie das Innenleben. Rumpellandungen von Anfängern steckt die solide Konstruktion klaglos weg. „Sie ist nie kaputt gewesen, war immer komplett bruchfrei“, sagt Ferdiand Karreis. Was ihn beeindruckt: Generationen von Flugschülern, in Summe mehrere hundert, haben auf ihr die prägendsten Momente ihrer Fliegerlaufbahn erlebt: die Grundschulung und den ersten Alleinflug. „Auch innerhalb von Familien. Heute schulen die Enkel der ersten Schülergeneration auf ihr“, so der Lehrer, „das ist schon denkwürdig, oder?“

 

Bei jeweils hunderten Starts im Dienstleben von D-9064 saßen Karreis und Dieter Beck, seit schon 52 Jahren Fluglehrer am Platz, auf dem hinteren Platz des Schul-Doppelsitzers. Die Sicht durch die große Plexiglashaube sei phantastisch, schwärmen sie. Da sieht man auch was von der Landschaft. Darüber hinaus sei sie bis heute ein „Top-Schulflugzeug“. Sie verzeihe Fehler, zeige aber jederzeit direkt an, wenn was nicht passt. „Optimal, um die grundlegenden Fertigkeiten im Segelflug zu erlernen.“ Die ASK-13 verlange stets präzise Steuereingaben des Piloten. Und sie steige schön in der Thermik. Mit ihrer rot-gelben Lackierung ist die Maschine mit 16 Metern Spannweite und leicht nach vorne gepfeilten Tragflächen auch jederzeit gut auszumachen am Himmel.

 

Karreis (72) ist wie alle Fluglehrer im Verein ehrenamtlich tätig. Damals, als Student der Ingenieurwissenschaften, war er der jüngste Teilnehmer des Fluglehrer-Lehrgangs. 1968 tobten die Studenten-Unruhen. „Meine Kommilitonen gingen auf die Straße, ich auf den Flugplatz“, so Karreis, „halleluhjah, das waren vielleicht Zeiten.“ Die Fluglehrerausbildung veränderte auch sein Berufsleben. Er habe festgestellt, dass er mit Menschen gut umgehen und ihnen was beibringen könne. Deshalb absolvierte er noch ein komplettes Studium und sattelte um auf Lehrer. Seit ein paar Jahren ist er in Pension. Dieses und nächstes Jahr noch, dann will er auch seine Fluglehrer-Linzenz nicht mehr verlängern. „Ich will nicht einer der Kalk-Eimer werden, denen man durch die Blume sagt, es sei vielleicht an der Zeit, aufzuhören“, so Karreis, gebürtiger Rottweiler. Wie viele Schüler durch seine Hände gegangen sind, kann er auf Anhieb nicht sagen. Viele jedenfalls.

 

Selbst nach mehr als fünf Jahrzehnten hat für ihn der motorlose Flug nichts von seinem Reiz verloren. Er räumt bis heute regelmäßig Preise für die besten Flüge des Jahres im Verein ab. Die Erfahrung macht's, und auch die Tatsache, dass seine Frau Moni das Leben als Camper auf dem Flugplatz teilt. Segelflug sei anspruchsvoll, vereine Wissen in Mathematik, Meteorolgie, Technik und mehr in sich. „Man muss sich auf das Wetter einstellen können“, so Karreis. Wenn dann auf einem Streckenflug über mehrere hundert Kilometer plötzlich der Main oder der Pfälzer Wald unter den Tragflächen durchhuschen, sage man sich: „Hoppla, wow.“ Was den Schüler vor Rätsel stellt, macht für ihn den Reiz aus: Jeder Flug sei anders, jedes Mal. Die optischen Eindrücke, der Wandel der Vegetation im Lauf der Jahreszeiten, die Aufwinde, alles. „Das ist toll und spannend“. Und wenn die Plexiglas-Haube des Cockpits verriegelt ist und sich das Schleppseil zum Start strafft, ist Karreis zwar geistig hellwach, aber der Blutdruck geht runter. Er hat es mal gemessen: „Puls ganz unten. Von jetzt auf gleich.“